DU=A.

Rheinische Post
15.09.2008
von Annette Bosetti

Marathon in Köln

Spielzeiteröffnung im Kölner Schauspiel: Es wimmelt nur so von jungen Leuten, die fahren mit dem Fahrrad vor, behalten ihre Jacken an, versenden SMS. Doch weder Oberbürgermeister noch Kulturdezernent sind vor Ort. Das gehobene Publikum fehlt. Anders als in Düsseldorf.

So locker das Ambiente in der Domstadt, so anspruchsvoll das Programm. Die mit Kritikerbestnoten verwöhnte Intendantin hat den Mut zuzumuten. So offeriert Karin Beyer als Trainerin der Sinne sechs Stunden Marathon in Thalias Tempel: "DU=D.E.U.T.S.C.H.L.A.N.D." heißt das Stück. An jedem Sitzplatz hängt eine Tasche, darin stecken Wasserflasche, Energieriegel, Programm, Plastikponcho und Schweißband. Interaktiv wird das Publikum viele Räume durchlaufen. Einmal müssen alle mit der Stimmgabel den Kammerton anstimmen, später Volkslieder singen. Ein Thema wird nach allen Regeln der Theaterkunst neu buchstabiert: Wie viel Stolz ist da? Wie fließend die Grenze? Wie mühsam eine Verortung? Krasse Positionen zu Deutschland fallen von Fremden wie von Deutschen. Unerwartet, pointiert, zauberhaft.

Claudia Plöchingers Idee geht auf: die Kuratorin hat Tanzensembles, Puppenspieler, Musiker und Kabarettist Jürgen Kuttner zum Personal dazu gebeten. Fünf Sterne gibt's für dieses Menü, weil es erinnert, erleuchtet, ermahnt, erregt und erheitert. Satt verlässt der Besucher die Welt der Illusionen. Und ist schon wieder hungrig nach neuer Theaterkost dieser Güte.