Zwölf Schwestern

Märkische Allgemeine Zeitung
02.11.2009
von Lothar Krone

Haus aus weißem Klebeband

Warum das Theaterfestival Unidram ausgerechnet im sechszehnten Jahr endgültig zur Tradition geworden ist und den Status einer Potsdamer Ewigkeitseinrichtung erworben hat, lässt sich nicht genau sagen. Dass es so ist, konnte jeder im vollen Saal des T-Werks bei der Eröffnung spüren. Einige aber müssen es sogar schon früher gewusst haben, denn wie die Riege der Eröffnungsredner bewies, steigt die Schar der Unterstützer. Stadt, Land, Universität und Sparkasse scheinen hochzufrieden - auch, weil die Organisatoren künstlerisch immer noch eine Schippe drauflegen. Einen Grund für die andauernde Frische dieser Veranstaltung entdeckte Kulturbeigeordnete Iris Jana Magdowski beim Blick ins Publikum. Ihr Satz "Die Jugend ist da, und die Schiffbauergasse lebt!" klang dabei fast schon wie eine Kampfansage an die verbliebenen Skeptiker dieses Kulturstandorts.

Man muss dem Organisatoren-Quartett Franka Schwuchow, Yvonne Griesel, Jens-Uwe Sprengel und Thomas Pösl, der auch die Eröffnungsmoderation besorgte, schon im Voraus dafür danken, ein so spannendes, neugierig machendes Programm europaweit akquiriert zu haben. 18 verschiedene Vorstellungen dürften selbst dem größten Nörgler Chancen bieten, Erbauliches herauszupicken.

Gestartet wurde mit einem deutschen Beitrag, obgleich das Nonsens-Trio Volker Schindel, Rainer Killius und Tobias Dutschke bei ihrem Auftakt von Zwölf Schwestern russisch zu reden begann. Dies war aber die einzige Referenz an Anton Tschechows Drama "Drei Schwestern", denn was die drei Männer aus dem Bühnenklassiker machten, hatte so gar nichts mit den sich absichtsvoll quälend über die Bretter schleppenden Handlungsabläufen des Russen zu tun. Wo Tschechow seine Geschichte einfriert, wurde hier erhitzt, und diese Methodik der ständigen Erwärmung war schon am Bühnenbild ablesbar. Vier mit weißen Tüchern abgedeckte geheimnisvolle Möbelstücke auf der ansonsten leeren Bühne boten Raum für Phantasie, und wohl niemand hätte erwartet, dass daraus einmal ein chaotisch überladenes Schlussbild werden würde. Baumarkt sei Dank erübrigten etliche Rollen weißes Papierklebeband einen aufwendigen Kulissenaufbau. Mit gewichtiger Mine klebten die drei Herren damit einen kompletten Hausgrundriss auf den Bühnenboden, und wann immer benötigt, wurden auch Fenster, Türen, ja sogar Menschen ruck zuck am schwarzen Bühnenaushang sichtbar gemacht. Ähnlich improvisiert wurde auch bei den zwölf Schwestern, die durch zwölf extrem verschiedene Kochtöpfe ersetzt waren. Auf eine Handlung verzichteten die zum Ausgleich unablässig singenden und musizierenden Herren fast komplett. Sie nutzten beliebige Aufhänger, um zu immer neuen Geschichten und Figuren überzuleiten. Männerrollen, Frauenrollen, alemannisch, hochdeutsch - völlig gleich.

Als das Chaos mit der Verklebung des Zuschauerraums und dem Lied von Hänsel und Gretel seinen Höhepunkt erreicht hatte, endete dieser Auftakt in Jubel und blanker Begeisterung.